Der Urlaub war toll! Ägypten im Winter ist immer wieder ein Erlebnis. Auch dem Stumpf hat es gut getan. Nach der Amputation im Oktober, den anschließenden Komplikationen mit Entzündungen, Thrombosen und Heilungsstörungen hatte Katrin gehofft, dass die tolle Luft am Roten Meer und die verdiente Auszeit die Situation entspannten.

Und wirklich - am Ende des Urlaubs hatte sie sich an den Silikon-Liner über dem Stumpf gewöhnt, sie brauchte auch weniger Schmerzmittel als vor dem Urlaub. Kurzum - Sie freute sich auf das neue Jahr.
Direkt nach dem Urlaub hatte sich der Pflegedienst zum Verbandswechsel angekündigt. Die nette junge Pflegerin versprühte einen Spass an ihrem Job, wie Katrin es schon sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Während des Urlaubs hatten sie und ihr Mann die Wunde am Stumpf selbst versorgt. Und nun wollte sie bestätigt haben, dass sich nichts verschlimmert hatte.
"Das ist aber ganz schön rot, und auch ein bisschen heiss", meinte die Pflegerin. Das hatte Katrin auch schon festgestellt, aber das ist ja bei einem Feuermal nicht wirklich etwas Besonderes. Sie erklärte die besondere Situation, dass man bei einem Feuermal nur schwer an- hand von Farbe und Temperatur eine Entzündung fest- stellen könne.

"Okay, aber wenn das schlimmer wird, müssen Sie sofort ins Krankenhaus!"

Katrin nahm die Warnung zur Kenntnis und kontext-centere sich wieder auf die Wunde. Diese präsentierte sich schön rosig und ohne gelbe Stellen, also auf dem bes- ten Weg der Heilung. Zufrieden zog sie den Liner wieder über den frischen Verband und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.
Als sie gerade dabei war, ihre Buchhaltung auf das neue Jahr umzustellen, fing der Stumpf an zu schmerzen. Also schleunigst vom Schreibtisch auf das Sofa umziehen, kalte Waschlappen suchen und Beine hochlegen. Der Stumpf war geschwollen, dunkelviolett, glänzte und war irgendwie heiss. Draussen hörte man die angekündigten Stürme pusten. Sie fühlte sich irgendwie ein bisschen warm, und plötzlich kamen Ihr die Worte der Pflegerin wieder in den Kopf. Wurde es nun schlimmer? Jedenfalls so schlimm, dass sie ins Krankenhaus müsste?
Sie holte ihr neues Oberflächenthermometer und mass die Temperatur am Stumpf. 37,9 Grad - war das jetzt schon erhöhte Temperatur? Sie maß an anderen Körper- stellen. Im Ohr waren es 37,3 Grad. Eigentlich kein Grund zur Sorge. Aber sie nahm ja Novalgin, ein entzündungshemmendes Schmerzmittel. Bei der Entzündung im November war die Temperatur dadurch soweit gesenkt, dass man die Entzündung erst sehr spät entdeckt hatte. In den nächsten beiden Stunden schwankte die Tempe- ratur am Stumpf zwischen 37,2 und 38,3 Grad.

Katrin merkte, dass Panik in ihr aufkam.

Wenn sie jetzt ins Krankenhaus fährt, würde man sie dann auslachen? Ihr Hausarzt hatte bereits Feierabend. Egal, sicher ist sicher. Sie zog sich an und setzte sich in den Sessel, um sich den Schuh anzuziehen.
Während sie darauf wartete dass ihr Mann den Rollstuhl ins Auto brachte, bemerkte sie, dass der Stumpf heller wurde. Auch die Temperatur schien irgendwie normal. Nach weiteren zehn Minuten war die Haut auch wieder weich und glänzte nicht mehr. Was war das? Katrin verstand die Welt nicht mehr.

Der lange Weg von der bewussten Entscheidung zur Amputation bis zur neu erlangten Freiheit, Grenzen zu überwinden...
Da fiel ihr Katja ein. Katja hatte sich ihren Unterschenkel vor ein paar Jahren abnehmen lassen und ihr schon mehrfach gute Tipps zur Amputation gegeben.

Katrin griff zum Telefon und bereits nach dem dritten Klingeln hörte sie Katjas tiefe, beruhigende Stimme:
"Hast du eigentlich auch ein Feuermal an deinem Stumpf?" "Jou"
"Wird das manchmal auch dunkelviolett und heiss?"
"Jou, zum Beispiel beim Wetterwechsel oder wenn ich aus dem Urlaub in einem anderen Klima komme, kann es vor- kommen, dass ich den Liner nicht so lange tragen kann wie an anderen Tagen. Und dann wird das Feuermal dunkelvi- olett, der Stumpf wird heiss und dick. Dann ziehe ich den Liner aus, lege mich hin und warte, dass der Stumpf sich wieder entspannt. In der Regel ist das dann nach ein paar Stunden ausgestanden. Das ist unsere eingebaute Wetter- wechselalarmanlage."
Sie konnte ein leichtes Schmunzeln in der Stimme von Katja regelrecht hören.

"Deine Gefäße müssen sich jetzt auf die veränderten Verhältnisse einstellen. Du wirst lernen, diese Veränderungen zu lesen und entsprechend zu reagieren. In den meisten Fällen ist das kein Grund zur Panik."

Katrin legte das Fieberthermometer ins oberste Regalfach, zog sich wieder aus und begann sich ganz langsam zu beruhigen.
Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Mann die ganze Zeit ne- ben ihr gestanden hatte. "Geil, dass es so eine Community gibt!" sagte er und zog sich ganz entspannt seine Jacke wieder aus.

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