Es ist heiß! Dass man sich in Hamburg mal wünschen würde, dass es regnet, hätte sich Katrin nicht träumen lassen. Hier erkennt man den Sommer ja in der Regel daran, dass der Regen wärmer ist.

In diesem Jahr erreichen die Temperaturen an mehreren Tagen hintereinander 37 Grad. Katrin sitzt an Ihrem Schreibtisch und versucht irgendeine Sitzposition zu finden, bei der das Bein nicht zu sehr schwitzt und trotzdem die Schmerzen erträglich sind.

Sie würde sich gern hinlegen, aber der Job muss ja gemacht werden.

Außerdem steht ein Patiententreffen an, und sie ist dafür zuständig ans Telefon zu gehen und die Fragen der Gäste zu beantworten. Und von denen soll niemand merken, dass es ihr nicht gut geht.
Das Telefon klingelt, also das gute-Laune-Gesicht aufsetzen und mit freundlicher Stimme den Hörer abnehmen. Es ist Sarah. Die junge Frau begleitet Katrin seit vielen Jahren. Als Sarah 12 Jahre alt war, war es ihr sehnlichster Wunsch, ihr Bein mit der Fehlbildung amputieren zu lassen. Doch kein Arzt wollte ihr diesen Wunsch erfüllen. Sie sei zu jung, vielleicht findet man ja doch noch eine Heilungsmöglichkeit. Sarah ließ sich aber nicht beirren und fand schließlich einen netten Arzt, der dazu bereit war. Heute studiert sie und ist mit ihrer tollen Fußpro- these glücklich.
Katrin beneidet sie seitdem, sie hätte auch gern den Mut zu diesem Schritt aufgebracht, aber wer weiß, ob die Wunde bei ihr verheilen würde. Wäre der Rest des Beines dann überhaupt in der Lage, eine Prothese aufzunehmen? Was würde ihr Mann dazu sagen? Hätte sie vielleicht danach mehr Schmerzen als jetzt? Und dann gibt es ja auch noch diese Phantomschmerzen. Ist da nicht viel zu viel Blut in dem Bein, und sie würde bei der OP verbluten? All diese Fragen haben sie bisher von die- sem Schritt abgehalten.

Heute jedoch, während des Gesprächs mit Sarah, kommt die Frage von ganz allein: "Hast Du diesen Schritt je bereut?"

Während der nächsten zwei Stunden erklärt Sarah, um wieviel einfacher ihr Leben seit damals geworden ist. Natürlich habe sie ab und an Schmerzen, oder die Prothese drückt. Aber sie habe den Schritt nie bereut. Und auch bei dem Arzt, der sie nach der Amputation begleitet habe, fühlt sie sich gut aufgehoben. Den Rest des Tages kann Katrin sich nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren. Ständig wandern die Gedanken ab. Was wäre, wenn Sie dieses blöde Bein nicht mehr hätte? Wenn wenigstens der Unterschenkel weg wäre und sie wieder schwimmen gehen könnte? Ob mit oder ohne Prothese, ist doch egal! Ihren schicken Rolli mag sie sowieso.

Sie nimmt all ihren Mut zusammen und ruft Sarahs Arzt an: "Ich bin bereit!"

Sie hat damit gerechnet, dass der Arzt versucht ihr das auszureden: "Wir können ja erst Mal was anderes versuchen", "Es gibt ganz tolle Schmerzmittel heute". Sie hatte sich dafür schon Erwiderungen bereit gelegt, denn wenn Sie sich schon mal zu diesem Schritt durchgerungen hat, dann soll sie davon auch niemand wieder abbringen. Der Arzt antwortet nur ganz ruhig: "Ich kann diesen Wunsch gut verstehen!"
Nun ging alles ganz schnell. Zwei Tage später saß sie bereits im Auto auf dem Weg zum Arzt. Dort haben sie gemeinsam überlegt, welches Risiko besteht. Die Ultraschalluntersuchung lässt den Schluss zu, dass das Risi- ko einer Wundheilungsstörung gering gehalten werden könnte. Natürlich müsse man noch eine Angiografie machen, um das zu bestätigen. Aber eigentlich sollte auch einer Prothese und damit dem Laufen nichts im Wege stehen. Bereits auf dem Heimweg hat Katrin große Prob- leme, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.

Prothese? Heißt dass, sie könnte kleine Strecken wieder laufen? Vielleicht sogar größere Strecken?

Und könnte sie dann auch wieder gleichgroße Schuhe anziehen? Ach ja, und sie würde wieder aufrecht stehen können, da ja die Länge der Beine dann auch angeglichen wird. Sie bräuchte auch kein Verbandsmaterial für die Wunden am Unterschenkel mitnehmen. Vielleicht könnte sie sogar ein Kleid anziehen, niemand würde mehr auf ihr lila Bein schauen.
Bis zum OP-Termin vergehen allerdings noch ein paar Wochen. So lange werden in ihrem Kopf wohl noch so einige Szenarien ablaufen. Aber sie freut sich auf diesen neuen Abschnitt.

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